Kaum eine Phrase ist so abgedroschen wie "Berlin ist nicht Weimar". Es stimmt ja: Das wiedervereinigte Deutschland ist politisch stabil, die Weimarer Republik war es nicht.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Werner Schulz sieht dennoch Parallelen. Es wäre "ein Stück Weimar in Berlin", wenn Kanzler Schröder mit seiner Strategie Erfolg hätte, wenn sein Weg zur Neuwahl zum Präzedenzfall würde. Dies, so Schulz, würde "ein großes Scheunentor für jeden anderen Kanzler öffnen". Je nach Laune könnten künftige Kanzler das Parlament auflösen. Sie müssten lediglich erklären, dass sie sich ihrer Mehrheit nicht mehr sicher fühlen. In der Weimarer Republik konnte der Reichspräsident den Reichstag auflösen, wenn er dies für notwendig hielt. In der Berliner Republik scheint dieses Recht beim Kanzler zu liegen - wenn Schröders Plan aufgeht.
Dies wird aller Voraussicht nach passieren. Wahrscheinlich werden die Verfassungsrichter - wie bereits 1983 - Kritik am Vorgehen des Kanzlers äußern, Neuwahlen verhindern werden sie wohl nicht.
Schulz hat den Finger in die Wunde gelegt. Schröders Vorgehen mag im Einklang mit dem Grundgesetz stehen, es ist dennoch Trickserei. Nach der Wahl sollte dem Parlament das Recht zur Selbstauflösung gegeben werden, damit sich ein so würdeloser Vorgang nicht wiederholt.
In seiner Rede im Bundestag hat Schulz die Abstimmung "fingiert" genannt. Schulz hat Recht: In sieben Regierungsjahren haben die Fraktionen von SPD und Grünen dem Kanzler nicht ein Mal die Mehrheit verweigert. Warum Schröder und SPD-Chef Müntefering ihren Neuwahl-Plan auch immer ausheckten - dass es wirklich die Angst des Kanzlers war, seine Mehrheit im Bundestag zu verlieren, glaubt ernsthaft wohl niemand.
Schulz sagte im Bundestag an die Adresse Schröders: "Sie selbst haben verkündet, sich der Stimme zu enthalten. Aber was ist ein Kanzler, der das Selbstvertrauen verloren hat?" Eine große Mehrheit der Wähler will die Neuwahlen, die Schulz mit seiner Klage zu verhindern versucht. Dennoch ist Schulz weder ein Spielverderber noch ein Querulant. Schulz ist einer, der die Dinge beim Namen nennt. Das tut gut.