Mitten in der Nacht wacht Harald auf. Ein leises Stimmchen hat ihn geweckt. Immer wieder flüstert es "Herbstwind... Herbstwind..."
Was er auch versucht, er kann nicht wieder einschlafen.
"Was ist 'Herbstwind'", grübelt Harald, "wir haben schließlich Sommer!" Schlaflos wälzt er sich im Bett.
Plötzlich fällt es ihm ein: Der Außenseiter bei den Derby-Tagen heißt "Herbstwind"! Endlich gibt das Stimmchen Ruhe. Zufrieden schläft Harald wieder ein.
Beim Frühstück erzählt er seiner Frau davon. Irene sieht ihn lange nachdenklich an, dann meint sie: "Das war die Stimme des Schicksals. Warum riskierst du nicht 20 Euro?" Sie sucht in ihrem Portemonnaie. "Hier", sagt Irene und gibt ihm einen Zwanzig-Euro-Schein, "nimm und versuch dein Glück. Aber nicht mehr als 20 Euro!"
Energisch schüttelt Harald den Kopf: "Ich nehme außer dem Schein kein Geld mit."
Er greift nach seinem Mantel und verabschiedet sich.
Nach Zahlung des Eintrittspreises bleiben ihm noch fünfzehn Euro. "Herbstwind" läuft im dritten Rennen; ein absoluter Außenseiter, auf den kein Mensch setzen will - nur Harald.
Mit einem Achselzucken nimmt der Angestellte am Totalisator das Geld in Empfang und überreicht ihm den Wettschein.
Über die Lautsprecher wird das dritte Rennen angekündigt. Harald geht hinunter, ganz dicht an die Absperrung zum Geläuf. In der Innenbahn steht "Herbstwind" und wartet mit den anderen Pferden auf den Start.
Ein leichtes Zittern durchfährt Harald. Das Wettfieber hat ihn gepackt. Der Startschuss reißt ihn aus seinen Gedanken.
Schon kurz nach dem Start liegt "Herbstwind" in Führung - und baut den Vorsprung langsam aber stetig aus.
Drei Runden dauerte das Rennen, und "Herbstwind" ist nicht einzuholen. Schadenfroh registriert Harald die steinernen Gesichter neben sich. Die haben also nicht auf "Herbstwind" gesetzt.
In seiner Freude hat er gar nicht auf den Zieleinlauf geachtet. "Sieger im dritten Rennen: 'Herbstwind'. Auf dem 2. Platz..." Den Rest der Durchsage hört Harald nicht mehr. Wichtig ist ihm nur noch die Gewinnquote. So schnell er kann, läuft er zum Totalisator.
Fiebernd steht er vor dem Schalter und wartet auf die Anzeige. Quälend langsam erscheinen die einzelnen Buchstaben auf der Tafel: "1. Platz 'Herbstwind' = 1:25"
1:25! Harald macht einen Luftsprung während er rechnet: 375 Euro. Dreihundertfünfundsiebzig Euro!
Übermütig knallt er den Wettschein auf den Tisch. Mit unendlicher Ruhe zählt der Kassierer den Betrag vor ihn hin. Harald zählt nach. Plötzlich meldet sich das Stimmchen wieder: "Donnervogel... Donnervogel...", wispert es.
"Donnervogel"? So heißt doch ein Pferd im 4. Rennen? Harald blickt auf die Anzeigetafel: "4. Rennen: Ingemar, Sturmbraut..." Da: "Donnervogel".
"Wie stehen die Chancen für 'Donnervogel'?"
Der Kassierer schüttelt stumm den Kopf und blickt wie ein trauriger Dackel.
"Ach was", denkt er, "das Stimmchen hatte einmal recht, das Stimmchen wird auch diesmal recht haben."
"375 Euro auf 'Donnervogel'!" befiehlt Harald und legt sein Geld auf den Tresen.
Er bekommt den Wettschein. Im Weggehen hört er noch den Kassierer zu seinem Kollegen sagen: "Das Geld ist er los." Abwarten, denkt Harald.
Das Rennen beginnt. Donnervogel läuft - und siegt.
Gemessenen Schrittes begibt sich Harald zum Wettschalter. Der Kassierer sieht ihn staunend an: "Ihr Glück möcht' ich haben. 1:31 ist die Quote."
1:31? Harald schwinden die Sinne. 11625 Euro!
Während er das Geld zählt, lauscht er. Was ist mit dem Stimmchen? . Das Stimmchen schweigt.
Soll er noch mal setzen? Er überlegt lange, doch dann entschließt er sich aufzuhören. 11625 Euro! Das ist mehr, als er je besessen hat.
Er verlässt die Rennbahn und geht zur Bushaltestelle.
Plötzlich meldet sich das Stimmchen wieder. Sanft und zart flüstert es: "Roulette... Roulette..."
Er wird sich bewusst, dass er auf ein Plakat der Spielbank starrt.
Das Stimmchen hat zweimal den richtigen Tipp gegeben, das Stimmchen wird wissen, was es sagt.
Harald fährt zur Spielbank und wechselt sein Geld in Chips um.
Er steht vor dem Roulette-Tisch und lauscht. Tatsächlich! Das Stimmchen flüstert: "Rot... Rot..."
Harald ist vorsichtig, er riskiert 1000 Euro.
Die Kugel rollt und rollt... und fällt auf Rot.
2000 Euro schiebt ihm der Croupier zu. Er könnte sich ins Knie beißen. Hätte er doch alles gesetzt.
Er setzt alles auf Rot. 12625 Euro liegen dort. Und die Kugel rollt. Atemlose Spannung. Der Tisch ist mittlerweile umlagert von Menschen. Alle verfolgen gespannt den Lauf der Kugel.
Mit einem dumpfen Laut fällt die Kugel. Die Zahl kann Harald nicht erkennen - aber sie ist rot!
Die Zuschauer applaudieren, während der Croupier ihm 25250 Euro zuschiebt.
Harald nimmt zwei Chips zu 100 Euro und wirft sie mit einer lässigen Bewegung dem Croupier zu: "Für die Angestellten." Der Croupier dankt mit einem Nicken und sagt: "Bitte das Spiel zu machen!"
Harald überlegt und lauscht. Das Stimmchen schweigt. Soll er, oder soll er nicht? Kurz entschlossen schiebt Harald seine Chips auf Rot.
"Bedaure", meint der Croupier und schiebt ihm einen Chip zu 50 Euro wieder zu. "25000 Euro ist das Maximum."
Gespannt wartet Harald, und die Kugel rollt.
Eine ungeheure Erregung hat alle erfasst. Der ganze Saal vibriert vor Spannung.
Die Kugel zieht gleichmäßig ihre Bahn, fällt, springt eine Zahl weiter, bleibt liegen - auf Zero.
Erschüttert wendet Harald sich ab und steckt sich mit zitternden Händen eine Zigarette an. 25000 Euro - futsch!
In seiner Hand hält er noch den letzten Chip, den der Croupier ihm zurückgab. Er geht zur Kasse und wechselt. Ein nagelneuer Fünfzig-Euro-Schein wird ihm überreicht.
Langsam verlässt er die Spielbank, er will nur noch heim. Es ist recht weit, deshalb nimmt er ein Taxi.
Dreißig Euro kostet die Fahrt nach Hause.
Irene öffnet die Tür. Voller Erwartung fragt sie: "Was ist? Hast du gewonnen?"
Ganz ruhig steckt Harald sich eine Zigarette an, und während er den Rauch ausbläst gibt er ihr den übrig gebliebenen Zwanzig-Euro-Schein: "Nimm ihn zurück. Ich habe es mir überlegt. Wetten ist mir zu dumm!"
Was habt Ihr für Erfahrungen mit Eurer inneren Stimme gemacht?
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass die "innere Stimme" die Stimme des Schutzengels ist. Ich glaube, man sollte viel mehr auf sie hören und ihr mehr vertrauen.
ja das gibts , kenne das selber auch , aber leider habe ich nicht
immer drauf acht gegeben , sonst hätte ich nicht so viel
Pech im Leben ..
nur die Lottozahlen hat sie mir noch nie gesagt , sonst wäre ich
sicher reich :-)
Die innere Stimme hilft mir immer ein bisschen bei Einstellungen neuer Mitarbeiter. Vielleicht könnte man es aber auch Lebenserfahrung nennen, fast das Einzige, was im Alter vielleicht von Nutzen ist!!
Da können noch so gute Abschlussnoten oder Beurteilungen vor mir liegen - ich habe manchmal gedacht, vielleicht täusche ich mich, mit meiner "inneren Stimme ". Aber auch im Nachherein hatte ich dummerweise durchaus meistens recht. Manchmal würde man sich sogar gerne irren - !!
Man kann natürlich auch sagen, ich entscheide aus dem Bauch heraus.