Ich habe zwei Augen, kostbar wie Diamanten,
einen Mund, um zu pfeifen,
und eine Gesundheit, die nicht zu bezahlen ist.
Ich habe genug.
Ich habe eine Sonne am Himmel.
Ich habe ein Dach überm Kopf. Ich habe zu tun.
Ich habe genug zu essen, und ich habe Menschen,
um sie zu lieben.
Ja, ich habe genug.
Mondnacht
Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Winde geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn
Sah ich das Glück mir winken,
Glitzern, flimmern, verwehn.
Klingt im Wind ein Wiegenlied,
Sonne warm herniedersieht,
Seine Ähren senkt das Korn,
Rote Beere schwillt am Dorn,
Schwer von Segen ist die Flur -
Junge Frau, was sinnst du nur?
Nun ist es still um Hof und Scheuer,
Und in der Mühle ruht der Stein;
Der Birnenbaum mit blanken Blättern
Steht regungslos im Sonnenschein.
Die Bienen summen so verschlafen;
Und in der offnen Bodenluk',
Benebelt von dem Duft des Heues,
Im grauen Röcklein nickt der Puk.
Der Müller schnarcht und das Gesinde,
Und nur die Tochter wacht im Haus;
Die lachet still und zieht sich heimlich
Fürsichtig die Pantoffeln aus.
Sie geht und weckt den Müllerburschen,
Der kaum den schweren Augen traut:
»Nun küsse mich, verliebter Junge;
Doch sauber, sauber! nicht zu laut.«
Nun gib ein Morgenküßchen!
Du hast genug der Ruh;
Und setz dein zierlich Füßchen
Behende in den Schuh!
Nun schüttle von der Stirne
Der Träume blasse Spur!
Das goldene Gestirne
Erleuchtet längst die Flur.
Die Rosen in deinem Garten
Sprangen im Sonnenlicht;
Sie können kaum erwarten,
Daß deine Hand sie bricht.
Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmrung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein
Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.
Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen -
So war es immer schon.
Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.
Diese grünen, friedevollen,
endelosen Sommerweiten,
drüber hell die Lerchen trillern
und die kleinen Wolken schwimmen,
unterm Hauch sich Blumen neigen,
Schaf und Kuh genüßlich weiden,
Frieden, Frieden um sich breiten.
Zeit, so bleibe stillestehn,
Augenblick, zur Ewigkeit dich dehn!
Sie sprießen licht aus Waldesnacht,
Ohne reichen Duft, ohne Farbenpracht,
Unter den großen, alten Bäumen,
Über das Moos wie flutend Träumen:
Wann der Wind vorüber streicht,
Neigen sie ihre Köpfchen leicht,
Aber wo die Sonne licht
Durch die Blätterkronen bricht,
Saugen sie all das goldige Scheinen
Sehnsuchtsvoll in den Kelch, den kleinen.
So blühen sie scheu, ohne Glanz und Pracht:
Die lichten Kinder der Waldesnacht.
Therese Dahn (1845 - 1929), geb. Therese von Droste-Hülshoff, deutsche Schriftstellerin, Nichte der Annette von Droste-Hülshoff, Ehefrau von Felix Dahn